ERP-Auswahlprojekte erfolgreich meistern
Lesedauer: 5 Minuten

Ein ERP-Einführungsprojekt ist ein umfangreiches und kostenintensives IT-Projekt, welches in der Regel alle 10 bis 15 Jahre in Unternehmen durchgeführt wird. Die Auswahl eines ungeeigneten ERP-Systems kann somit zu schwerwiegenden Folgen führen. Der nachfolgende Beitrag zeigt wichtige Punkte auf, die im Rahmen einer ERP-Auswahl beachtet werden sollten.
Ein ERP-Auswahlprojekt sollte in der Tragweite nicht unterschätzt werden. Fehler in der ERP-Auswahl führen zu langwierigen Projekten mit hohem Anpassungsaufwand, enormer Mitarbeiterbelastung, hohen Zusatzkosten oder auch zum Scheitern der gesamten Softwareeinführung. In der Regel fehlen den Unternehmen die entscheidenden Marktkenntnisse im ERP-Bereich. Im Allgemeinen wirkt der ERP-Markt eher unübersichtlich und die Webseiten der Anbieter präsentieren oft nicht die gewünschten Informationen in der nötigen Detailtiefe.
Für die ERP-Auswahl ist es zunächst empfehlenswert, interne Projektmitglieder sorgfältig auszuwählen und zum Teil auch vom Tagesgeschäft zu entbinden. Zudem ist zu prüfen, ob das Hinzuziehen von Experten (z. B. aufgrund fehlender Marktkenntnisse) sinnvoll oder notwendig ist.
Ausgangslage analysieren
Vor Beginn eines Auswahlprojektes ist es ratsam die Ausgangslage des Unternehmens näher zu betrachten. Dies hat den Vorteil, die Zielstellung realistischer einschätzen zu können und geeignete Maßnahmen zur Projekteinführung ableiten zu können. Die Ausgangslagenanalyse sollte eingesetzte Systeme, IT-relevante Prozesse, Wissen der Mitarbeiter, vorhandene Dokumentationen und die IT-Strategie betrachten. Dies kann mit Hilfe eines ERP-Reifegradmodells durchgeführt werden [1].
Zieldefinition
Nicht selten sind mit einem neuen ERP-System unterschiedliche Vorstellungen seitens der Mitarbeiter und auch des Managements verbunden. Neben der Arbeitserleichterung und einer Prozessverbesserung stehen oft auch Einsparungen im Raum. Mitarbeiter müssen teilweise auch von zu erwartenden Vorteilen überzeugt werden. Ängste sind zudem abzubauen. Daher empfiehlt es sich, zu Beginn des Projektes die Ziele, die mit der Einführung der neuen ERP-Software verbunden sind, genau festzuhalten und mit dem Management abzustimmen. Je genauer die Ziele definiert werden, desto besser kann nach Projektende die Zielerreichung überprüft werden.
Wirtschaftlichkeitsbetrachtung
Bei Unsicherheiten hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit einer ERP-Einführung, bietet sich die Durchführung einer RoI-Analyse (RoI = Return on Investment) entlang der Unternehmensprozesse an. Dies sollte mit ERP-Experten durchgeführt werden, da bei der Analyse tiefere ERP-Kenntnisse nötig sind. Im Rahmen einer solchen Untersuchung können gleichzeitig die Anforderungen an das neue ERP-System aufgenommen werden.
Anforderungsanalyse

ERP-Auswahl.
Die Ermittlung der Anforderungen kann in Form von Interviews oder Workshops mit Vertretern aus den Abteilungen realisiert werden. Bei komplexen Vorgängen ist es ratsam, den IST-Zustand detailliert aufzunehmen und grafisch zu visualisieren. Durch die Modellierung und Visualisierung der Prozesse sind Potenziale zum Teil noch besser zu erkennen. Anhand der aufgedeckten Potenziale sollte das Projektteam gemeinsam mit den Mitarbeitern die Anforderungen an das neue System definieren. Die ermittelten Anforderungen sollten möglichst genau aufgeführt, kategorisiert und beschrieben werden. Wichtig ist vor allem, sich auf die wesentlichen Anforderungen zu konzentrieren. Anforderungslisten mit mehreren hundert Anforderungen sind im Rahmen der Systemauswahl nicht sinnvoll, daher sollten Anforderungen, die ERP-Systeme standardmäßig ohnehin enthalten, vermieden werden.
Gestaltung des Anforderungskatalogs
Die Anforderungen sollten tabellarisch zusammengetragen und in Kategorien untergliedert werden. Die funktionalen Anforderungen, die erfahrungsgemäß den umfangsreichsten Teil des Anforderungskatalogs ausmachen, sollten in Unternehmensbereiche (wie z. B. Einkauf, Vertrieb, Produktion) oder Systemmodule (z. B. CRM, PPS, SCM) weiter untergliedert werden. Weitere Anforderungskategorien sind z. B. technische Anforderungen, wie notwendige Schnittstellen. Nachdem die Anforderungen entsprechend kategorisiert wurden, sollte eine Gewichtung (z. B. A – K.o.-Kriterium, B – wichtig und C – nice to have) erfolgen, um anschließend den Fokus auf die A- und B-Anforderungen zu legen.
Markteingrenzung
Vor allem für mittelständische Unternehmen ist der ERP-Markt sehr unübersichtlich. Allein in der DACH-Region existieren mehrere hundert Anbieter. Um sich einen ersten Überblick zu verschaffen helfen unabhängige Fachzeitschriften mit großen Marktübersichten oder auch anbieterneutrale Auswahlplattformen. Eine weitere Recherche im Internet oder auf Branchenmessen ist zudem empfehlenswert. Das Ergebnis der Markteingrenzung sollte eine „Longlist“ mit ca. 15 bis 25 passenden Systemen sein. Dabei sollte vor allem auch auf die Brancheneignung und auf passende Referenzen geachtet werden.
Im Anschluss sollte der Anforderungskatalog, der idealerweise aus nicht mehr als 150 Anforderungen besteht, an die Anbieter der „Longlist“ verschickt werden. Es empfiehlt sich neben den Antwortmöglichkeiten „ja, vorhanden“ oder „nein, nicht vorhanden“ zudem die Möglichkeit anzubieten, die entsprechende Anforderung seitens des Anbieters im laufenden Projekt realisieren lassen. Dabei sollten die Anbieter dann eine Schätzung des Zusatzaufwandes mit angeben.
Bewertung der Rückläufer
Die Erfahrung zeigt, dass nahezu alle angefragten Anbieter die Anforderungskataloge sorgfältig ausfüllen und zurücksenden. Auf Basis der Rückläufer sollte dann eine „Shortlist“ mit den 3 bis 5 Anbietern erstellt werden, die mit ihren Systemen den höchsten Erfüllungsgrad aufweisen. Diese Anbieter sollten dann zu Anbieterpräsentationen eingeladen werden.
Vorbereitung der Anbieterpräsentationen
Zweck der Anbieterpräsentationen ist es, eine bessere Einschätzung zu erhalten, inwieweit sich die eigenen Unternehmensprozesse mit den ausgewählten ERP-Systemen abbilden lassen und zudem den Anbieter besser kennen zu lernen. Diese Ziele können nur erreicht werden, wenn den Anbietern genau vorgegeben wird, welche konkreten Unternehmensszenarien sie mit dem System zeigen sollen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass ein Vertriebsmitarbeiter des Anbieters ausgiebig zur Firmengeschichte und zu Erfolgsstorys referiert und die eigentliche Systempräsentation zu knapp oder mit unpassenden Beispielen ausfällt. Zur Vorbereitung der Anbieterpräsentationen gehören die Beschreibung von Szenarien, eine Zeitplanung sowie die Erstellung von Bewertungsbögen.
Die Unternehmensszenarien können bereits während der Anforderungserhebung aufgenommen und mit den betroffenen Mitarbeitern abgestimmt werden. Diese sollten so genau wie möglich beschrieben werden. Mit der Vorgabe dieser Szenarien kann gleichzeitig sichergestellt werden, dass nicht nur Vertriebsmitarbeiter mit möglicherweise nicht ausreichendem Systemwissen an den Anbieterpräsentationen teilnehmen. Die Erfahrung zeigt, dass mit der Vorgabe der Unternehmensszenarien eher projekterfahrene Mitarbeiter oder Vertriebsmitarbeiter mit entsprechend tiefer Systemkenntnis zur Präsentation erscheinen. Insgesamt sollten die
Dieser Beitrag erschien in seiner ursprünglichen Version bereits im Marktführer I/2019.