Grundpfeiler einer erfolgreichen ERP-Auswahl
Kernelemente von Vorgehensmodellen für die Auswahl und Einführung
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Es existieren zahlreiche Vorgehensmodelle für die Auswahl und Einführung von ERP-Software. Dieser Artikel informiert über die grundlegenden Prinzipien, auf denen die Mehrheit der etablierten Methoden beruht, und liefert eine Empfehlung zum Umgang mit der Variantenvielfalt.
Die Auswahl und Einführung einer neuen ERP-Software verlangen den Unternehmen enorme personelle, organisatorische und finanzielle Anstrengungen ab. Die Unternehmen können zwischen zahlreichen Verfahren und Empfehlungen zur Auswahl und Einführung von ERP-Systemen wählen. Sie sehen sich mit der Aufgabe konfrontiert, sich nicht nur für eine ERP-Software entscheiden zu müssen, sondern zusätzlich auch für die Vorgehensweise zu deren Selektion. So wundert es nicht, dass sich die Frage nach dem richtigen Vorgehensmodell durch beständige Aktualität auszeichnet und in den letzten drei Jahren jeweils mindestens ein Buch zu diesem Thema erschienen [7; 9; 14] ist.
Es stellt sich die Frage, ob sich die gängigen Methoden grundlegend voneinander unterscheiden und inwiefern sie die speziellen Begebenheiten der Unternehmen berücksichtigen. Einerseits ist jede ERP-Auswahl so individuell wie das sie durchführende Unternehmen, und der ERP-Zufriedenheitsstudie zu Folge „überzeugen die […] Software-Lösungen […] aus sehr unterschiedlichen Gründen, denn kaum ein Präferenz-Profil gleicht dem anderen“ [13]. Andererseits gibt es viele Gemeinsamkeiten in den Auswahlprozessen, wie z.B., dass „knapp 80 Prozent aller Teilnehmer“ der ERP-Zufriedenheitsstudie „‘geeignete Funktionalität der Software‘ als ausschlaggebend“ [13] angeben.

Bild 1: Projektphasen bei der Auswahl von ERP-Software.
Gemeinsamkeiten
Folgerichtig offenbart die nähere Betrachtung, dass sich die Vorgehensmodelle zwar im Detail unterscheiden, nicht aber in ihren grundlegenden Prinzipien. Für die erfolgreiche Auswahl einer ERP-Software scheint weniger die spezielle Methode Ausschlag gebend zu sein, sondern viel mehr, dass die wesentlichen Einflussfaktoren beim Auswahlprozess hinreichend Berücksichtigung finden.
Dies soll nicht darüber hinweg täuschen, dass die ERP-Auswahl eine komplexe und aufwandsintensive Aufgabe darstellt, die sich nur mit einem klar strukturierten Vorgehen und einem belastungsfähigen Projektmanagement bewältigen lässt. Mit der Erteilung eines entsprechenden Projektauftrags [1] gibt die Geschäftsleitung den Startschuss für ein mindestens vier und im Mittel 17 Monate dauerndes Auswahl-Projekt [6].
Die Auswahl der ERP-Software und des Implementierungspartners erfolgt in mehreren Stufen vom Groben zum Detail. Die unterschiedlichen Vorgehensmodelle teilen den Auswahlprozess je nach Betrachtungsweise in zwei [4] bis acht [15] Phasen ein. Bild 1 zeigt eine von den Autoren dieses Beitrags vorgenommene Gliederung mit sieben Phasen, während in Tabelle 1 ihre wesentlichen Maßnahmen und Schritte aufgelistet sind.
Unter den Verfahrensmodellen herrscht Einigkeit über den prinzipiellen Ablauf und die grundlegenden Inhalte des Projekts sowie die sukzessive Einschränkung der untersuchten ERP-Systeme. Während am Anfang bisweilen über 100 ERP-Systeme [12] als Kandidaten zur Verfügung stehen, verringert sich diese Zahl auf 10-15 [vgl. z. B. 11, S. 18] am Ende der Vorauswahl bis schließlich die Entscheidung zwischen zwei bis drei ERP-Systemen fällt [vgl. z. B. 3, S. 13; 10]. Hierbei ist es unerheblich, ob die Selektion manuell oder rechnergestützt stattfindet.

Tabelle 1: Projektphasen bei der Auswahl von ERP-Software.
Erfolgskriterien
Die Anlässe, aus denen sich Unternehmen für die Anschaffung und Einführung einer neuen ERP-Software entscheiden, sind vielfältig und die damit verfolgten Ziele variantenreich. Die Bandbreite der Anlässe beginnt bei organisatorischen Veränderungen und reicht über die unzureichende Unterstützung der Geschäftsprozesse durch die bisher verwendete Software bis zu deren mangelnden Zukunftsfähigkeit. Die verfolgten Ziele umfassen einerseits qualitative Ziele wie die Erhöhung der Transparenz der Geschäftsprozesse durch eine verbesserte Integration der abwickelnden IT-Systeme und andererseits quantitative Ziele wie die Realisierung von Kosteneinsparungen durch eine verstärkte Harmonisierung der IT-Sys-temlandschaft [vgl. z. B. 2; 15, S. 5].
Die unterschiedlichen Einführungsmodelle tragen diesem Umstand Rechnung, indem Sie zu Beginn des Auswahlprojekts eine auf die speziellen Begebenheiten der Unternehmen ausgerichtete Anforderungsanalyse vorsehen [vgl. z. B. 1, S. 25; 6, S. 15; 12, S. 7] und weiterhin, indem sie eine Gewichtung der Bewertungskriterien [vgl. z. B. 1, S. 25; 6, S. 16] sowie eine entsprechende Nutzwertanalyse [vgl. z. B. 1, S. 25] beinhalten.
Die am häufigsten genannten Erfolgsfaktoren für Auswahlprojekte von ERP-Software sind:
• eine klare Formulierung von Zielen
• die Erstellung eines belastbaren Projektplans
• die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit und der Investitionssicherheit
• die anwendungsseitige und technologische Bewertung der ERP-Systeme
• die Prüfung der wirtschaftlichen Stabilität des jeweiligen Anbieters
• die Auswahl des Implementierungspartners anhand fachlicher und persönlicher Kriterien [vgl. z.B. 8; 10].
In Tabelle 2 ist eine Auswahl typischer Bewertungskriterien für ERP-Systeme gesammelt.

Tabelle 2: Kriterien für die Auswahl von ERP-Software.
Empfehlung
Die Entscheidung für die Anschaffung und Einführung einer neuen ERP-Auswahl ist von existenzieller Bedeutung für ein Unternehmen, da sie weit reichende Auswirkungen in nahezu alle Unternehmensbereiche mit sich bringt [4, S. 6]. Deshalb kommt der Geschäftsleitung eine zentrale Rolle im Gesamtprozess zu.
Ausschlag gebend für die erfolgreiche Projektabwicklung ist das allgemeine Bewusstsein für die Bedeutung des Auswahlprojekts und die angestrebten Ziele. Dieses zu erreichen erfordert die klare Zielformulierung durch die Geschäftsleitung [vgl. z. B. 4, S. 4; 8] und die Vermittlung dieser Ziele an die Mitarbeiter, flankiert von einem kontinuierlichen Änderungsmanagement [vgl. z. B. 4, S. 3; 5, S. 19]. Ebenso unerlässlich sind eine Schwachstellen- und Potenzialanalyse der Aufbau- und Ablauforganisation [11] sowie eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung [6, S. 14]. Und schließlich zählt bei aller notwendigen Fachlichkeit die Konzentration auf die jeweiligen Kernfragen unter Anwendung der bewährten 80/20-Regel.
Letztendlich ist es eine Frage der persönlichen Überzeugungen und Präferenzen, für welche konkrete Vorgehensweise zur Auswahl einer ERP-Software sich ein Unternehmen entscheidet. Grundsätzlich empfiehlt sich eine frühe Kosten-/Nutzenanalyse, ob sich die Einbindung eines auf die Auswahl von ERP-Software spezialisierten externen Beraters rechnet. Seine Kenntnisse über angebotene ERP-Systeme sowie seine Erfahrungen, Best Practices und Werkzeuge können die Dauer und den Aufwand des Projekts reduzieren und die Effizienz des Auswahlprozesses steigern. Die dargestellten Prinzipien lassen sich grundsätzlich auf jedes Auswahlprojekt von Business Software anwenden – sei es die Auswahl einer ERP-Software, eines Lagerverwaltungssystems oder eines Buchhaltungsprogramms. Die Tragweiter der Investitionsentscheidung und die Implikationen auf das Unternehmen mögen unterschiedlich sein, die prinzipiellen Fragestellungen sind doch die gleichen.