Auseinandersetzung mit dem Anbieter
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In großen IT-Projekten kommt es durchaus vor, dass es Auseinandersetzungen zwischen Auftraggeber und Anbieter gibt. Meist stehe ich in diesen Meinungsverschiedenheiten auf der Seite des Auftraggebers. In dieser Folge lesen Sie, wie Sie sich am besten mit Ihrem Anbieter über den Zeitplan, die Qualität der Ergebnisse und die finanzielle Vergütung verständigen.
Wichtig ist zunächst, dass zu Beginn des Projektes eine gemeinsame Ausgangsbasis und Regeln für den Umgang miteinander vereinbart wurden. Auch sollte ein Projekthandbuch existieren, in dem idealerweise bereits die Regeln für den Umgang mit Abweichungen enthalten sind. Am Ende dieser Kolumne erläutere ich, wie vorzugehen ist, wenn diese Regeln nicht zu Projektbeginn vereinbart wurden.
Themen der Auseinandersetzung mit dem Anbieter sind Zeit, Qualität oder Kosten bzw. eine Mischung aus mehreren dieser Aspekte. Dabei gilt es, zunächst die Positionen beider Seiten sachlich zu beschreiben. Bei Zeitverzug kommt es vor, dass der Auftraggeber mit dem Finger auf den Anbieter zeigt und sagt, er habe nicht ausreichend unterstützt. Dies kontert der Anbieter umgehend mit dem Hinweis, die Key-User hätten nicht zur Verfügung gestanden. Aus meiner Erfahrung weiß ich, dass ganz selten nur die Schuld allein bei einer Seite liegt.
Auseinandersetzungen über die Qualität der Beratungsleistung eines Anbieters sind schwerwiegender. Diese Auseinandersetzungen kommen meist erst sehr spät im Projekt hoch, wenn bereits viel Zeit und Geld verbraucht wurde. Daher muss auf diese Probleme schnell und deutlich reagiert werden. Unzureichende Qualifikation der Berater des Anbieters ist nicht tolerabel. Ich halte es für falsch, auf Besserung zu hoffen; vielmehr müssen die kritisierten Berater zügig ausgetauscht werden.
Wichtig ist bei den Zeit- und Qualitätsthemen, dass in der Diskussion Hinweise erarbeitet werden, wie solche Vorkommnisse bei Weiterführung des Projektes vermieden werden können.
Ernst wird es bei Auseinandersetzungen über Geld, wobei diese meist als Konsequenz verpasster Zeitziele oder mangelnder Qualität geführt werden. Hier gelten die üblichen Regeln der Verhandlungsführung: Sachliche Argumente, keine Leistung ohne Gegenleistung, kein Zugeständnis der einen Seite ohne ein Zugeständnis der anderen Seite. Diese Verhandlungen werden meist im Hinblick auf eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit geführt, daher begegnen sich beide Parteien immer respektvoll. Bei solchen Auseinandersetzungen ist ein Trusted Advisor außerordentlich sinnvoll, weil er solche Situationen kennt und sich auch als Moderator bzw. Schlichter gut eignet. Auch wenn ich vom Auftraggeber bezahlt werde, so werde ich doch stets auf Mängelursachen, die auf der Seite des Auftraggebers liegen, hinweisen. Alles andere wäre unethisch. Allerdings mache ich das nicht in demselben Meeting, in dem ich auch den Anbieter zur gütlichen Einigung bewege.
Was ist zu tun, wenn die Regeln zum Umgang bei Meinungsverschiedenheiten nicht im Projekthandbuch verankert sind und schon einige „Pfeile“ in Richtung der jeweiligen Gegenseite abgeschossen wurden? Dann ist es die erste Aufgabe, zur sachlichen Diskussion von Fakten (im Zweifel nachweisbaren Tatsachen) zurückzukehren. Wie wurde vom Anbieter das Fehlen der Mitwirkung der Key-User gemahnt? Wann wurde der Anbieter auf das ergebnislose Verstreichen des Liefertermins hingewiesen?
In einzelnen Fällen kommt es vor, dass die Zeit- und Qualitätsprobleme so groß werden, dass eine Fortsetzung des Projektes in der gegenwärtigen Form keinen Sinn mehr macht. Dann ist eine Rückabwicklung bzw. eine geordnete Beendigung des Projektes zu vereinbaren. Hier sind Anbieter meist daran interessiert, sich gütlich zu einigen. Gelegentlich hilft dabei der sanfte Druck des Rechtswegs. Dieser Weg sollte aber erst beschritten werden, wenn alle (!) außergerichtlichen Streitbeilegungsversuche gescheitert sind. Keinesfalls sollte das der erste Schritt der Auseinandersetzung sein, denn dann ist das Projekt auf jeden Fall gescheitert!