Industrie 4.0 und ERP
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Je nach Wortführer verstecken sich hinter dem Schlagwort Industrie 4.0 (I4.0) Zukunftsvisionen, Utopien, Marktversprechen oder auch „harte“ Technologien. Demgegenüber wirkt der Begriff Enterprise Resource Planning (ERP) beinahe veraltet. ERP-Systeme sind in den meisten Unternehmen im Einsatz. Das heißt, unter ERP-Anwendern existiert eine gefestigte Vorstellung, wozu ein ERP-System dient. Angesichts der Kluft zwischen der Vision Industrie 4.0 und dem ERP-gestützten operativen Geschäft stellt sich die Frage, was der „normale“ ERP-Nutzer mit Industrie 4.0 zu tun hat. Mit anderen Worten: Was sind die Beziehungen zwischen I4.0 und ERP?
Dass Industrie 4.0 ein Schlagwort ist, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass es an einer eindeutigen Definition mangelt. Selbst die Erfinder des Begriffs, der im Rahmen der High-Tech-Strategie der deutschen Bundesregierung geboren wurde, belassen es bei Umschreibungen [1, 2]. Als wichtige Bausteine werden Technologien angesehen, die z. T. auch schon vor der Erfindung des Dachbegriffs Industrie 4.0 existierten [3]:
- Internet der Dinge, gestützt auf die Basistechnologie RFID (Radio Frequency Identification), mit intelligenten Objekten (wie Maschinen, Werkstücken, „Smart Products“)
- Internet der Dienste, in dem intelligente Dienstleistungen („Smart Services“) angeboten werden
- CPS (Cyber-Physical Systems), d. h. „vernetzte softwareintensive physische Systeme (z. B. Maschinen), die grundsätzlich ortsunabhängig Dienste erbringen können“ [4] und diese über definierte Schnittstellen bereitstellen
- Intelligente Fabrik („Smart Factory“), bestehend aus cyber-physischen Systemen und anderen intelligenten Objekten
- Horizontal und vertikal vernetzte Unternehmen in Form von Produktionsnetzwerken, virtuellen Unternehmen, Betreibermodellen u. a.
- Big Data, als Mess- oder Sensordaten häufig automatisch anfallend
CPS werden oft als das Kernstück von Industrie 4.0 angesehen (vgl. Bild 1). Die intelligenten Objekte wissen selbst, was sie können (z. B. Eignungsprofile von Maschinen), wie sie sich verhalten müssen (z. B. Umrüsten, Werkzeugwechsel) oder welchen Weg durch die Fertigung und Logistik sie nehmen müssen.

Bild 1: Sogenannte industrielle Revolutionen [5].
Enterprise Resource Planning (ERP)
Bei ERP stehen die täglichen Geschäftsprozesse und Geschäftsregeln im Vordergrund, d. h. die operativen Transaktionen im Tagesgeschäft. ERP hat sich seit den 60er Jahren evolutionär aus MRP (Material Requirements Planning) über MRP II (Manufacturing Resource Planning) bzw. Produktionsplanung und -steuerung (PPS) entwickelt. Später erweiterte sich die Sichtweise, so dass nicht nur die für die Produktion erforderlichen („Manufacturing“), sondern alle für den Unternehmenserfolg wichtigen Ressourcen („Enterprise“) geplant und gesteuert werden können.
Obwohl die Wurzeln von ERP also in der Produktionswirtschaft liegen, hat sich der Fokus stark verschoben. Heute steht nicht mehr die Produktionsplanung und -steuerung im Vordergrund, sondern das Verbuchen von Geschäftstransaktionen. Von besonderer Bedeutung ist dabei eine effektive Abwicklung der Kundenaufträge. Bei auftragsorientierter Produktion muss das ERP-System z. B. in der Lage sein, je nach Kunde unterschiedliche Produktspezifikationen und/oder Fertigungsverfahren abzubilden. Bild 2 zeigt dazu ein Beispiel aus dem ERP-System DIAS [6]. Bei den Stammdaten des Kunden „GTS Wellpappe“ werden maschinenspezifische Ressourcenlisten mitgeführt, die bei Aufträgen dieses Kunden zur Anwendung kommen müssen.