ERP-Einführung

Erfolgskriterien für ERP-Projekte

Oder: Warum befinden sich immer wieder Projekte in der Krise?

Lesedauer: 7 Minuten

06. Dezember 2022 von Peter Frigger

Erfolgskriterien für ERP-Projekte
© Adobe Stock / Tom

ERP-Projekte sind immer wieder eine Herausforderung für Unternehmen. Obwohl mittlerweile zahlreiche Veröffentlichungen zu den Erfolgsfaktoren existieren, sind weiterhin viele ERP-Projekte krisenbehaftet. Wichtige grundlegende Faktoren werden nicht oder nur unzureichend beachtet. Im Folgenden werden diese wichtigen Fallstricke dargestellt bzw. aufgezeigt, welche Faktoren ein ERP-Projekt beeinflussen.

Bereits bei der Auswahl bzw. beim Auswahlprozess einer geeigneten Unternehmenssoftware wird ein Grundstein für ein erfolgreiches Projekt gelegt. Sollte sich die Unternehmensverantwortlichen dazu entscheiden, eine neue ERP-Lösung für das eigene Unternehmen einzuführen, wird häufig die IT-Abteilung (z. B. die IT-Verantwortlichen) damit beauftragt, eine Vorauswahl zu treffen. Damit ist jedoch dann bereits festgelegt, dass es sich voraussichtlich um ein IT-Projekt und nicht um ein Unternehmensprojekt handeln wird. Diese Unterscheidung ist für den weiteren Verlauf des Projektes häufig sehr wichtig. Die Fachabteilungen werden bei der Auswahl nicht oder nur rudimentär einbezogen. Ganz wichtige Kernprozesse und absolute K.O.-Kriterien werden bei der Auswahl somit nicht berücksichtigt. Bei der Auswahl von ERP-Lösungen und des entsprechenden Implementierungspartners sollten bereits einige absolut wichtige Anforderungen besprochen werden, die dem Anwenderunternehmen einen echten Mehrwert und/oder einen Wettbewerbsvorteil bieten. So kann der Anbieter auch darstellen, wie er die Anforderung in der Software abbilden möchte. Leider wird diese Möglichkeit in der Praxis nur unzureichend genutzt. Zum einen, weil es teilweise bereits einen finanziellen Aufwand darstellt und zum anderen, da es einen zeitlichen Aufwand bedeutet, sich mit den internen Anforderungen zu beschäftigen. Insgesamt ist in der Praxis häufig erkennbar, dass eine externe Unterstützung durch eine professionelle ERP-Auswahlberatung sinnvoll ist. Der finanzielle Aufwand hierfür rechnet sich in aller Regel durch die hochwertige Beratung und die damit verbundene richtige Auswahl der geeigneten Unternehmenssoftware.

Dass es sich bei einer ERP Einführung grundsätzlich um ein Unternehmensprojekt und nicht um ein IT-Projekt handelt, sollte mittlerweile bekannt sein. Dennoch ist die IT-Abteilung häufig federführend. Nur in den seltensten Fällen gibt es eine separate Instanz/Abteilung für „Business Solutions“, „Geschäftsanwendungen“, „ERP-Projekte“ etc., die sich im Rahmen eines Unternehmensprojektes um die Auswahl und die Einführung kümmert.

Ein weiterer negativer Faktor ist, wenn das gesamte Projekt nicht auch das Prädikat „hochpriorisiert“ hat; d. h. um das Projekt erfolgreich gestalten zu können, sollte die Geschäftsleitung es aktiv mitbegleiten. Dies beinhaltet im Übrigen auch, dass ein gewisses Verständnis für die Software, aber auch die Prozesse vorhanden ist. Verfolgt man teilweise die Veröffentlichungen zu krisenbehafteten Projekten, scheint auch eine gewisse Beratungsresistenz vorhanden zu sein. Nur wenn z. B. die Stammdaten auch vernünftig gepflegt sind, kann eine Unternehmenssoftware auch entsprechende Ergebnisse abbilden. Wenn beispielsweise Fertigungsstücklisten und Arbeitspläne unzureichend gepflegt sind, kann die ERP-Lösung auch keine zufriedenstellenden Daten zu Planung, Produktion, Verbrauch etc. darstellen.  

Häufig werden interne Personen als Projektleitung benannt, die das Projekt „nebenbei“ begleiten bzw. führen sollen. Selbstverständlich benötigt die Projektleitung, aber auch alle Projektbeteiligte ausreichend freie Zeit, sich um die Belange des Projektes zu kümmern. Die Projektleitung (intern oder extern) sollte weiterhin projekttechnisches Know-how, aber auch inhaltliches Wissen über Prozesse, Funktion und Logik der ERP-Lösung sowie Branchenkenntnisse haben. Dazu sollte die Projektleitung auch eine gewisse Durchsetzungskraft besitzen, zumal nicht alle Beteiligten diesem Projekt positiv gegenüberstehen. In der Praxis gibt es immer einzelne Personen, die nicht richtig mitmachen bzw. nur unzureichend an dem Projekt teilnehmen. 

Insgesamt sind die Themen Projektleitung und Projektmanagement elementar für den Erfolg des Projektes. Leider findet man jedoch immer wieder zwei Extreme aufseiten der Anwenderunternehmen. Entweder es wird sehr viel Aufwand im Rahmen eines kleinteiligen Projektmanagements betrieben oder es wird nur sehr rudimentär durchgeführt. Ein gutes Mittelmaß ist selbstverständlich eher subjektiv, doch geht es insgesamt darum, das Projekt zu steuern und volle Transparenz herzustellen. 

Grundsätzlich sind hinsichtlich des Projektmanagements die drei bekannten Inhalte Budget, Zeit und Qualität als konkurrierende Faktoren vorhanden. 

PM Dreieck 1
© frigger-consult

Die Projektverantwortlichen sind also immer in einem Dilemma; die drei Inhalte konkurrieren miteinander.  Die verschiedenen beteiligten Personengruppen haben unterschiedliche Interessen.  So möchte natürlich die Unternehmensführung eine gute Lösung schnellstmöglich zu einem bestmöglichen Preis erhalten. Die Anwendergruppe ist eher darauf bedacht, in Ruhe die Anforderungen zu besprechen und diese in bestmöglicher Ausführung (Qualität) in der Software wiederzufinden. Letztendlich spielt auch die Zeit eine entscheidende Rolle. Diesen Kompromiss aus den drei Kriterien und den unterschiedlichen Interessen gilt es zu managen. Sollte das Anwenderunternehmen Zweifel haben, dass eine interne Person diese herausfordernde Aufgabe erfolgreich bewältigen kann, sollte eine externe Expertise hinzugenommen werden. 

Ein weiterer wichtiger Aspekt, der in der Praxis zu kurz kommt, ist der Wille, auch organisatorische und prozesstechnische Optimierungen anzustreben. Ein ERP-Projekt ist auch immer die Chance, Prozesse und organisatorische Begebenheiten zu hinterfragen und zu optimieren. Diese Chance wird aber nur bedingt genutzt. Zu häufig wird versucht, die alte Arbeitsweise in die neue Software zu drücken. Aussagen, wie z. B. „das machen wir schon immer so“ oder „das geht nicht anders“, sind ein Indiz dafür, dass hier keine Wille zur Veränderung besteht. Aber auch auf der Seite des Implementierungspartners sollte die Beratung entsprechend hochwertig sein. Die Beratung sollte auf jeden Fall besonders bei diesen „alten“  Unternehmensprozessen eine geeignete Lösung aufzeigen. Wie kann z. B. die Anforderung, die in der Vergangenheit z. B. nur mit viel manuellem Aufwand abgewickelt worden ist, in der neuen Software optimiert abgebildet werden. Dazu bedarf es gut ausgebildeter Beraterinnen und Berater, die auch die Mühe auf sich nehmen, sich mit diesen „unbequemen“ Themen auseinanderzusetzen. 

Häufig ist erkennbar, dass unrealistische Erwartungshaltungen ein Projekt bereits im Vorfeld belasten können. So ist die Vorstellung, die einen 100%igen Erfüllungsgrad aller Anforderungen zum Datum 01.01.20xx beschreibt, nicht nur unrealistisch, sondern auch setzt auch alle Beteiligten enorm unter Druck. Grundsätzlich bietet es sich auch hier an, die 80/20-Regel anzuwenden; d.h. 80 % des Tagesgeschäfts müssen zum Echtstart funktionieren. Seltene, einzelne Punkte außerhalb des Tagesgeschäfts können auch im laufenden Betrieb umgesetzt werden. Für Standardprozesse, die dem Unternehmen keinen Mehrwert bieten bzw. mit denen sich das Unternehmen nicht vom Wettbewerb unterscheidet, sollten möglichst die Standardfunktionalitäten der ERP-Anwendung genutzt werden. Dagegen kann es sinnvoll sein, bei Prozessen und Funktionen, bei denen das Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil hat, bei Bedarf auch Anpassungsprogrammierungen oder die Nutzung von Branchenpaketen zu nutzen. 

Insgesamt sollte sich das Unternehmen bewusst sein, dass das ERP-Projekt mit dem Echtstart in der Regel nicht endet. Vielmehr ist der Go-live der Startschuss für weitere Optimierungen und Umsetzungsschritte. Deswegen ist es auch unabdingbar, eigene Kompetenzen aufzubauen. Anwender sollte sich im Rahmen des First Level Supports untereinander helfen können. Schnittstellen etc. sollten überwiegend selbstständig betreut werden, so dass nur in Ausnahmefällen auf den Implementierungspartner zurückgegriffen werden muss. Dies erspart Zeit und reduziert den finanziellen Aufwand. 

Fazit

Immer wieder ist von ERP-Projekten zu lesen, die in Schieflage geraten. Es gibt zahlreiche Faktoren, die ein ERP-Projekt negativ beeinflussen können. Die meisten davon sind jedoch im Vorfeld bekannt bzw. vorhersehbar. Bei krisenbehafteten Projekten ist deutlich erkennbar, dass grundlegende Erfolgsfaktoren ignoriert werden. Es empfiehlt sich deshalb, bereits im Vorfeld diese Faktoren aktiv anzugehen; so können diese im Laufe eines Projektes aktiv gestaltet und immer wieder bewertet werden. 

Sollte sich ein Anwenderunternehmen unsicher sein, die Komplexität und die Herausforderungen eines ERP-Projektes eigenständig bewältigen zu können, sollte auf jeden Fall überlegt werden, auf externe Unterstützung zurückzugreifen. So kann gemeinsam mit dem Implementierungspartner ein erfolgreiches ERP-Projekt durchgeführt werden.

Über den Autor

Peter Frigger Portrait

Peter Frigger beschäftigt sich seit Jahren mit der Einführung und Aktualisierung von Unternehmenssoftware (sog. Enterprise Resource Planning).

Mit der frigger-consult unterstützt er namhafte Unternehmen unterschiedlicher Branchen bei der Auswahl, Einführung und Aktualisierung der ERP-Lösungen.

In seinem Buch „ERP-Projekte erfolgreich managen“ (ISBN 978-3-347-42595-8) gibt Peter Frigger praxisrelevante Beispiele und Tipps.

Kontakt

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Peter Frigger

www.frigger-consult.de

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