Scrum Master: Handlungsempfehlungen
Was wird bei einer ERP-Implementierung vom Scrum Master gefordert
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In einem Scrum Team nimmt der Scrum Master eine wichtige Rolle ein. Er ist insbesondere für die Etablierung des Scrum Frameworks innerhalb des Teams und in der Organisation verantwortlich. In diesem Beitrag wird untersucht, was laut dem Scrum Guide vom Scrum Master gefordert wird und wie das Rollenverständnis in der Berufspraxis aussieht.
Scrum ist ein Framework, das selbstorganisierten Teams dabei hilft, innovative Produkte zu entwickeln. Ein wesentlicher Vorteil dieser iterativen Vorgehensweise besteht darin, dass die Produktentwicklung flexibler gestaltet werden kann. So kann beispielsweise sehr gut auf neue Anforderungen, die sich erst während des Entwicklungsprozesses ergeben, reagiert werden. Innerhalb eines Scrum Teams nimmt der Scrum Master eine wichtige Rolle ein. In diesem Beitrag wird untersucht, was der Scrum Guide, die Framework-Beschreibung von Sutherland und Schwaber, vom Scrum Master fordert und welches Rollenverständnis aus der Berufspraxis hervorgeht.
Scrum Framework
Erfolgreiche Scrum Teams zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass sie selbstorganisiert ihre Arbeit verrichten und nicht von außen gesteuert werden. Deshalb müssen die Teammitglieder interdisziplinär aufgestellt sein und über alle Kompetenzen verfügen, die für die Produktentwicklung benötigt werden. Grundsätzlich besteht das Team aus einem Product Owner, einem Scrum Master und den Entwicklern. Die Verantwortung für das Produkt liegt beim Produkt Owner. Sein Ziel ist es, eine Produktwertmaximierung zu erreichen, indem er die Anforderungen der unterschiedlichen Stakeholder im Product Backlog erfasst und priorisiert. Auf diese Weise gibt er die Zielrichtung aus fachlicher Sicht für das gesamte Team vor. Der Scrum Master ist für die Etablierung des Scrum Frameworks innerhalb des Teams und in der Organisation verantwortlich. Er hilft dem Product Owner beispielsweise beim Product-Backlog-Management. Die Verantwortung der Produktentwicklung und die Technologiehoheit liegen bei den Entwicklern. Problematisch ist oftmals, dass die Entwickler Spezialisten sind, die nur ausgewählte Aufgaben bearbeiten können, für die Produktentwicklung aber unterschiedliche Fähigkeiten benötigt werden. Ideal sind daher Entwickler mit sogenannten T-Shape-Eigenschaften. Solche Entwickler haben einen fachlichen Schwerpunkt, können aber bei Bedarf auch in anderen Bereichen unterstützen.
Die vom Product Owner im Product Backlog festgehaltenen Produktanforderungen werden in ein- bis vierwöchigen Zyklen, auch Sprints genannt, abgearbeitet. Ein Sprint startet mit dem Sprint Planning. In dieser Veranstaltung werden vom Product Owner mögliche Aufgaben für den anstehenden Sprint vorgestellt und im Team diskutiert. Die Entwickler übernehmen dann so viele Aufgaben aus dem Product Backlog in den Sprintplan, das Sprint Backlog, wie sie aufgrund ihrer aktuellen Kapazität bearbeiten können. Das gesamte Team verpflichtet sich dann, dieses Sprintziel zu erreichen. Die Verantwortung für das Sprint Backlog liegt bei den Entwicklern und nicht beim Product Owner. Während des Sprints findet täglich das Daily Scrum statt. Ziel dieses 15-minütigen Ereignisses ist es, den Sprintfortschritt zu überprüfen und ggf. das Sprint Backlog anzupassen. Spätestens zum Sprintende wird ein einsatzfähiges Produktinkrement erstellt, das sich aus den Arbeiten des aktuellen und aller vorherigen Sprints ergibt. Im Sprint Review stellt das Scrum Team den wichtigsten Stakeholdern das Produktinkrement vor und es werden die Fortschritte auf dem Weg zum Produktziel diskutiert. In dieser Veranstaltung können auch neue Erkenntnisse in das Product Backlog aufgenommen werden. Der Sprint endet mit der Sprint Retrospektive, in der das Scrum Team die Arbeitsweise des letzten Sprints diskutiert. Das Ziel ist es, anhand der gewonnenen Erkenntnisse neue Maßnahmen zur Teamoptimierung zu identifizieren. Das gesamte Scrum Framework wird in Bild 1 überblicksartig dargestellt.

Rollenverständnis aus Sicht des Scrum Guides
Die Kernaufgabe des Scrum Masters besteht darin, im Scrum Team Verständnis für das Scrum Framework zu schaffen, dafür zu sorgen, dass das Regelwerk eingehalten wird und alle Probleme, die das Team bei seiner Arbeit behindern, beseitigt werden. Hierfür soll der Scrum Master insbesondere seine kommunikativen und empathischen Fähigkeiten einsetzen. Der Scrum Master wird daher auch als „Servant Leader“ (deutsch: dienender Leiter) bezeichnet.
Der Scrum Guide erläutert, wie die Zusammenarbeit des Scrum Masters mit dem Product Owner und den Entwicklern auszusehen hat und welche Aufgaben er gegenüber seiner Organisation wahrnehmen soll. So hat er u. a. sicherzustellen, dass der Product Owner ein Verständnis für Agilität entwickelt und dass dieser das konkrete Projektziel, den Projektumfang und die Produktdomäne versteht. Der Scrum Master muss dem Product Owner zudem erläutern, wie die Produktplanung in einem empirischen Arbeitsumfeld erfolgt, wie das Product Backlog effektiv verwaltet werden kann und wie die Einträge im Product Backlog klar und prägnant formuliert werden. Der Product Owner wird vom Scrum Master auch dazu angeleitet, die Product-Backlog-Einträge so anzuordnen, dass ein Produkt maximalen Wertes erzeugt wird. Falls notwendig, sollte der Scrum Master den Product Owner auch bei der Durchführung der Scrum-Ereignisse unterstützen. Die Entwickler hat der Scrum Master so zu coachen, dass diese selbstorganisiert und funktionsübergreifend arbeiten und das Scrum Framework verstanden haben. Weitere Aufgaben bestehen darin, die Entwickler bei der Schaffung hochwertiger Produktinkremente zu unterstützen, alle Hindernisse (sogenannte Impediments), die die Entwickler aufhalten, zu beseitigen, diese Hindernisse im Extremfall bis zum „Upper Management“ zu eskalieren und die Entwickler, falls notwendig, bei der Durchführung von Scrum-Ereignissen anzuleiten.
Auch gegenüber der Organisation, in der das Scrum-Projekt durchgeführt wird, hat der Scrum Master verschiedene Dienste zu erbringen. Er soll beispielsweise die Organisation bei der Scrum-Einführung anleiten, Scrum-Implementierungen in der Organisation planen und mit anderen Scrum Mastern innerhalb der Organisation zusammenarbeiten, um so die Effektivität der Scrum-Projekte zu erhöhen. Eine weitere Aufgabe besteht darin, die unterschiedlichen Stakeholder darin zu unterstützen, das Scrum Framework und die Produktentwicklung nach Scrum besser zu verstehen und umzusetzen.

Rollenverständnis und Herausforderungen aus Sicht der Scrum Master
Eine Befragung unter 16 erfahrenden Scrum Mastern hat ergeben, dass lediglich fünf der Befragten uneingeschränkt dem zuvor beschriebenen Rollenverständnis folgen. Drei weichen teilweise vom Scrum Guide ab und die übrigen 50 % haben ein eigenes Rollenbild entwickelt.
Die Scrum Master wurden unter anderem gefragt, was sie als ihre Hauptaufgabe sehen. Die Ergebnisse dieser Befragung sind in Bild 2 zu sehen. Dem Product Owner versuchen sie zu helfen, indem sie in unterschiedlichen Stakeholder-Gesprächen moderieren, dessen Softskills verbessern und generell die Kundenzusammenarbeit erhöhen. Bezogen auf die Entwickler sehen sie ihre Hauptaufgabe darin, die Team-Performance zu verbessern und etwaige Hindernisse, die bei der Produktentwicklung auftreten, zu beseitigen. Als wichtig erachten die befragten Scrum Master auch ihre Rolle in der Gesamtorganisation. Hier versuchen sie das Scrum Framework zu etablieren und durch ihren Beitrag die Leistungsfähigkeit der Organisation zu erhöhen.
Schließlich wurden die Scrum Master gefragt, in welchen Bereichen sie die größten Herausforderungen bei ihrer Tätigkeit sehen. Am häufigsten werden hier Probleme bei der Etablierung der Scrum-Arbeitsweise in der Organisation genannt. An zweiter Stelle steht die Herausforderung bei der Steigerung der Team-Performance. Die Scrum Master gaben auch an, dass ihnen mitunter nicht klar ist, wie ihre Rolle in der beruflichen Praxis gelebt werden soll, da die Rahmenbedingungen in den Projekten sehr unterschiedlich sind. Generelle Akzeptanzprobleme ihrer Funktion werden in diesem Zusammenhang auch als eine Herausforderung genannt. Schließlich gestaltet es sich in der Praxis häufig schwierig, von außen auf das Scrum Team einwirkende Störungen zu beseitigen und beim Konfliktmanagement innerhalb des Teams zu unterstützen.
Handlungsempfehlungen
Um den zuvor beschrieben Herausforderungen bestmöglich begegnen zu können, werden abschließend ein paar Handlungsempfehlungen gegeben. Hat ein Team noch keine oder nur geringe Scrum-Erfahrungen, ist es wichtig, dass es von einem sehr erfahrenen Scrum Master angeleitet wird. Bei solchen Teams ist die Retrospektive von besonderer Bedeutung. Wird diese vom Scrum Team als gewinnbringend wahrgenommen, zeigt sich ein sehr positiver Effekt auf die Teamentwicklung und die Akzeptanz des Scrum Masters steigt. Eine wesentliche Voraussetzung hierfür ist, dass der Scrum Master über sehr gute Moderationsfähigkeiten und über ein breites Spektrum an Tools für die Gestaltung der Retrospektive verfügt.
Um potenzielle Konflikte frühzeitig zu erkennen, sollte ein Scrum Master auch Fortbildungskurse im Bereich Konfliktmanagement besucht haben. Konflikte treten nicht nur innerhalb der Teams, sondern auch bei der Interaktion mit den Stakeholdern und anderen Scrum Teams auf. Gibt es in einer Organisation mehrere Scrum Master, sollten diese sich unbedingt zu einem regelmäßigen Erfahrungsaustausch treffen, um voneinander zu lernen und sich bei Problemen gegenseitig zu unterstützen.
Autoren

studiert. Er ist langjähriger Softwareentwickler
und Scrum Master bei der SV Informatik GmbH.

an der FOM Hochschule für Ökonomie & Ma-
nagement in Stuttgart. Er ist geschäftsführender
Gesellschafter der Unternehmensberatung People
Consolidated GmbH, die sich auf die Einführung
von SAP-Produkten für das Konzernrechnungs-
wesen und -controlling spezialisiert hat.
Kontakt
Prof. Dr. Peter Preuss
FOM Hochschulstudienzentrum Stuttgart
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